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Die Kraft der Pflanzen nutzen – das ist die Devise im Projekt Flower Power. In einem ersten Schritt sollen zunächst bestehende 3 D-Modelle der menschlichen Haut in Kultur weiterentwickelt werden. Diese sollen dann dazu dienen, die Wundheilung und Narbenbildung sowie die Wirkung von Pflanzenextrakten bei abnormaler Narbenbildung zu untersuchen. Auch die Rolle von Schwann Zellen – speziellen Zellen des Nervensystems, die einen wesentlichen Beitrag zur Reparatur der Haut nach einer Verletzung leisten – soll besser erforscht werden. Neben Wissenschaftler:innen der MedUni Wien werden auch Citizen Scientists in das Projekt involviert: Schüler:innen und Pflanzen-Expert:innen und sowie -Interessierte sollen mithelfen, geeignete Pflanzen für die Versuche im Labor auszuwählen und Extrakte daraus herzustellen. Geleitet wird das Projekt von Michael Mildner von der Universitätsklinik für Dermatologie an der MedUni Wien.
Die Haut ist eines der größten und vielseitigsten Organe des menschlichen Körpers und übernimmt zahlreiche lebenswichtige Funktionen – vom Stoffwechsel über die Immunabwehr bis zum Schutz vor äußeren Einflüssen. Sie ist aber auch das größte Sinnesorgan des menschlichen Körpers und ermöglicht die Wahrnehmung von Umweltreizen. Wird die Haut verwundet, beginnt sofort ein Heilungsprozess, an dem auch so genannte Schwann Zellen beteiligt sind. Diese spezialisierten Zellen, die eine Schutzhülle um Nervenfasern bilden, wandern in die Wunde ein und fördern den Wundverschluss und Wiederaufbau der geschädigten Haut. Ist dieser Prozess gestört, kann es zu einer Vielzahl von Krankheitsbildern kommen. Aufgrund eingeschränkter Behandlungsmöglichkeiten stellt die Therapie von abnormalen Narben nach wie vor eine große Herausforderung dar.

Modelle zur Narbenbildung in der Petrischale

Zur experimentellen Untersuchung von Narben gibt es bis dato nur mäßig geeignete Modelle. Daher ist das Entwickeln eines dreidimensionalen Narbenmodells in der Petrischale – also in vitro – zunächst das erste große Ziel dieser Studie. Aus drei bestehenden Modellen soll das für Untersuchungen der Narbenbildung am besten geeignete identifiziert und für die geplanten Anwendungen etabliert werden. Des Weiteren wird Michael Mildner mit seinem Forschungsteam Schwann Zellen aus gesunden und kranken Geweben isolieren und kultivieren, um deren mögliche Beteiligung bei fehlgeleiteter Narbenbildung zu untersuchen.
Auch die Wirkung unterschiedlichster Pflanzenextrakte soll sowohl im Narbenmodell als auch auf Schwann Zellen in Kultur getestet werden. Der Einsatz von pflanzlichen Extrakten hat lange Tradition und wird speziell bei Erkrankungen, bei denen die Schulmedizin an ihre Grenzen stößt, häufig verwendet. Die Identifikation eines neuen Pflanzeninhaltsstoffes könnte zur Verbesserung von Narben beitragen, die in manchen Fällen die Lebensqualität von Patient:innen erheblich beeinträchtigen.

Zusammenarbeit mit Schüler:innen, Pflanzenexpert:innen und -interessierten

Im Projekt Flower Power arbeiten Michael Mildner und sein Team drei Jahre lang eng mit verschiedenen Citizen Scientists zusammen. So werden einerseits Schüler:innen von drei Schulen - der VS Campus Gertrude Fröhlich-Sandner, der MS Staudingergasse sowie der Privat HTL für Lebensmitteltechnologie aus Hollabrunn - aktiv im Projekt mit eingebunden. Nach einer theoretischen Einführung ins Thema gibt es Pflanzen- und Labor-Workshops für die jungen Leute, und sie bekommen Einblicke in die Forschungstätigkeit an der MedUni Wien. Danach sollen die Schüler:innen Pflanzen sammeln, die einen Einfluss auf die Narbenbildung haben könnten. Dabei sollen sie auch ihre Familie und ihr Umfeld befragen, um noch mehr Wissen in das Projekt einfließen zu lassen. Die Schüler:innen der HTL besitzen bereits wertvolle Expertise im Labor und werden Pflanzenextrakte zubereiten, die dann im Labor zur Anwendung kommen.
Auch eine Kooperation mit dem Verein Freunde naturgemäßer Lebensweise, einem der ältesten Kräutervereine Österreichs mit mehr als 7.500 aktiven Mitgliedern, ist geplant. So soll das Wissen über Wildpflanzen und deren traditionelle Anwendungen in Volksmedizin und Ernährung von zahlreichen Pflanzenexpert:innen und Interessierten ebenso einfließen. Über eine eigene Website können weitere Pflanzenkundler:innen bei der Auswahl der Pflanzen für die Extrakte mitwirken.
Die Extrakte der durch die Citizen Scientists vorgeschlagenen Pflanzen werden im letzten Schritt dann auf ihre Wirkung auf Schwann Zellen und bei der Narbenbildung getestet. Die Natur könnte hier eine neue therapeutische Option für eine Behandlung bieten.

Etablierung von in vitro Modellen zur Erforschung der Narbenbildung

Die größte Herausforderung in der Narbenforschung ist das Fehlen geeigneter Modelle, die humane pathologische Narben sowohl in vitro als auch in vivo genau nachbilden. Unser primäres Ziel ist es daher, ein in vitro Modell zu etablieren, das die Situation in humanen pathologischen Narben genau rekapituliert. Darüber hinaus wollen wir in diesen Modellen die Interaktion zwischen Schwann Zellen, Makrophagen, Fibroblasten und Keratinozyten umfassend analysieren und neue Faktoren identifizieren, die an der Pathogenese hypertropher und keloidaler Narbenbildung beteiligt sind. Das Verständnis dieser Faktoren könnte neue Erkenntnisse für die Entwicklung neuer therapeutischer Interventionen liefern.

Die Rolle der Schwann Zellen in der Wundheilung und Narbenbildung

Schwann Zellen, die Gliazellen des peripheren Nervensystems, sind für die Aufrechterhaltung und Regeneration von Nerven nach Verletzungen unerlässlich. Ihre Dysfunktion spielt jedoch eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Pathologien wie Keloiden, Schwannomen und Neurofibromen.
Diese Erkrankungen weisen gemeinsame Merkmale auf, darunter übermäßige Ablagerungen der extrazellulären Matrix (ECM), chronische Entzündungen und Änderungen der Zellsignale. Die derzeitigen Behandlungen sind überwiegend chirurgisch und gehen nicht auf die zugrunde liegenden zellulären Dysfunktionen ein, was den dringenden Bedarf an innovativen therapeutischen Ansätzen unterstreicht. Bei Keloiden nehmen Schwann Zellen einen profibrotischen, reparaturähnlichen Phänotyp an der zu einer überschießenden ECM-Produktion führt. Bei Schwannomen und Neurofibromen führen genetische Mutationen wie NF1 und NF2 zu anhaltender Dedifferenzierung und dysregulierter Signalübertragung, was zu Tumorwachstum und pathologischem Gewebeumbau führt. Diese Prozesse machen Schwann Zellen zu wichtigen therapeutischen Zielen bei diesen Erkrankungen.
Unsere Forschung nutzt das Hochdurchsatz-Wirkstoffscreening (HTS), um Moleküle zu identifizieren, die das Verhalten von Schwann Zellen modulieren können. Anhand von primären Schwann Zellen, die aus gesundem, Keloid-, Schwannom- und Neurofibrom-Gewebe stammen, untersuchen wir bis zu 90.000 Substanzen auf ihre Wirkungen auf Schwann Zellen. Dosis-Wirkungs Studien gewährleisten die Selektivität und Wirksamkeit der identifizierten Substanzen. Um die Wirkmechanismen aufzudecken, setzen wir fortschrittliche bildgebende Verfahren wie Zwei-Photonen-Mikroskopie, Einzelzell-RNA-Sequenzierung und Proteomik ein. Mit diesen Methoden können wir Schlüsselprozesse wie die Dedifferenzierung von Schwann-Zellen, Immun-Interaktionen und die ECM-Synthese untersuchen und so tiefere Einblicke in das Fortschreiten der Krankheit gewinnen.

Haut und Herz im Einklang

Herz-Kreislauf-Medikamente werden weltweit vor allem zur Blutdrucksenkung und zur Verhinderung von koronaren Herzkrankheiten eingesetzt. Eine klinische Studie hat gezeigt, dass die Einnahme von Statinen die Narbenbildung verringern kann. Eine andere Studie zeigte, dass Metformin die Kollagenablagerung durch Fibroblasten hemmt, was auf eine mögliche Rolle bei der Narbenprävention hindeutet. Unsere Forschung untersucht das therapeutische Potenzial von Herz-Medikamenten auf die kutane Narbenbildung. Durch die Analyse der Wirkungen verschiedener kardiovaskulärer Medikamente auf das zelluläre Transkriptom wollen wir potenzielle therapeutische Ziele identifizieren, um die Wundheilung zu verbessern und die Entwicklung hypertropher Narben zu verhindern. Wir verwenden Einzelzellsequenzierung, um Unterschiede in der Genregulation zu untersuchen, die durch die Stimulation mit kardiovaskulären Medikamenten ausgelöst werden. Dieser Ansatz wird es uns ermöglichen, potenzielle Signalwege zu identifizieren, die durch solche Behandlungen beeinflusst werden, was vielversprechende therapeutische Ziele für die Wundheilung und die Verhinderung oder Reduzierung der Narbenbildung aufzeigen könnte.